Montag, 26. November 2007

"Räume und Gendarm", teil 1

ca. 80 Personen anwesend
alle, die Lust haben, stellen sich vor;
Unterbrechung, als sich herausstellt, dass ein Polizist (Beauftragter für schwul-lesbische u. trans
Lebensweisen) anwesend ist und dann einige Leute nicht offen reden wollen. Er wird gebeten, die
Veranstaltung zu verlassen.
die beiden Parteien legen ihre Argumente dar:
Pro-BKA :
Transgender brauchen einen Schutzraum

die Veröffentlichung des Fotos verletzt die Privatsphäre des BKAlers

es passt nicht zusammen, dass dieselben Leute, die gegen Vorratsdatenspeicherung sind, den

Datenschutz mit dem Outing des BKAlers verletzen
die Transgender-Tagung ist offen für alle, daher wird niemand wegen seinem Beruf ausgegrenzt

die Trans-Tagung ist nicht links, der Schwerpunkt liegt auf Transgender (aber: die Tagung

konstituiert sich jedes Jahr neu)
Fotos sind schon überall, auch sonst hat der Staatsschutz schon alle Infos

es ist nicht möglich, Polizei sicher auszuschliessen (Zivilbeamte,..)

unverständlich, wieso die pinkpunxx ihre Texte anonym veröffentlichen

es war nicht bekannt, dass das Cafe Morgenrot ein linker Ort mit einer solchen Türpolitik ist

es geht um einen Menschen; das Problem sollte nicht nur ideologisch, sondern auch emotional

betrachtet werden
die Polizei hat eine notwendige Funktion, z.B. bei der Verfolgung von Diebstahl

Gegenüberstellung von unpolitischer Transtagung und politischen Queers stimmt nicht. die

Tagung ist nicht nur Selbsthilfe, trans ist kein Luxusproblem.
Contra-BKA :
es gibt einen allgemeinen Konsens über Bullenfreiheit in linksradikalen Räumen; damit soll ein

Schutzraum für Menschen geschaffen werden, die von Kriminalisierung bedroht sind.
einen BKAler mit Fotografieren zu beauftragen ist eine politische Aussage der Tagung

der BKAler ist verpflichtet, relevantes Wissen weiterzugeben

es gab einen Fall in Göttingen, wo eine lesbische (offene) Polizistin ihren Zugang zu linken

Räumen nutzte, um Gruppen auszuspionieren
dass die pinkpunxx anonym schreiben ist verständlich, wenn mensch sich z.b. anguckt, wie seit

den G8-Protesten versucht wird, Linke als Terroristen zu kriminalisieren
die Räume sind nicht so getrennt, es gibt eben auch linke oder migrantische Transgender

Ausschlüsse sollten nach außen kommuniziert werden (Selbstverständnis v. Gruppen)

trans bedeutet nicht gleich Opfer: Polizei ist keine unterdrückte Minderheit

Polizei ist keine humanitäre Serviceeinrichtung, sondern hat die Sicherung des Staats zur

Aufgabe
strukturelle Gewalt der Institution Polizei wird übersehen

es geht nicht nur um die Fotos, sondern Infos über soziale Beziehungen etc., ist was den

Staatsschutz interessiert; davon auszugehen, dass die schon alle Infos haben, ist falsch
Räume sind ein soziales Produkt; nicht alle haben die Möglichkeit, Räume zu schaffen

eine radikale Transgender- u. Queer- Politik muss Klasse, Rasse und andere

Herrschaftsmechanismen mit einbeziehen

Zwischentöne:
nicht gegen die Person, aber er hat sich scheiße verhalten, indem er seit Monaten auf diversen

Events weiter fotografierte, obwohl er wußte, dass Leute damit Probleme haben
offen für alle ist eine Illusion, es werden immer welche ausgeschlossen

das Problem war lange vor der Tagung bekannt, es wurde aber nicht damit umgegangen.

Eskalation hätte vermieden werden können
um zu besprechen, wie es auf den nächsten Parties sein wird und ob wir einen Konsens finden,
vereinbaren wir ein 2. Treffen

Freitag, 16. November 2007

polizei in queer/trans-räumen, teil 2

information zu risiken und nebenwirkungen


Aufgrund der Reaktionen auf unser erstes öffentliches Schreiben wollen wir ein paar Aspekte erläutern. Dabei werden wir nicht auf jede Erwiderung eingehen, sondern nur auf Punkte, bei denen wir davon ausgehen, dass sie eine inhaltliche Auseinandersetzung weiterbringen. Angriffe, die reine Polemik ohne jeden Diskussionsansatz sind, werden wir übergehen.
Den mehrfach geäußerten Vorwurf der Anonymität können wir nicht nachvollziehen. Wir sind ein nichtvereinsmäßig organisierter Zusammenhang und als solcher ist es selbstverständlich, Gruppentexte als Gruppe und nicht mit Einzelnamen zu unterschreiben.
Unabhängig davon ist eine Aussage nach ihrem Inhalt und nicht nach der Person zu be-urteilen, d.h. jede Aussage sollte gleich ernst genommen werden und nicht eine wichtiger sein, nur weil sie von einer „Szenepersönlichkeit“ kommt.

Zur Entwicklung des Ganzen vor der Morgenrot-Party:
Eine erste uns bekannte Kritik an der Möglichkeit für einen BKAler, sich in queeren Räumen (Partys, Veranstaltungen, Tagungen) zu bewegen und in diesem Rahmen sogar von einigen Orga-Teams mit Privilegien ausgestattet zu werden, gab es vor ca. einem halben Jahr in der Wigstöckel-Vorbereitung. In diesem Rahmen wurde das Problem diskutiert und entschieden, die Person nicht mehr mit Fotografieren zu beauftragen und auch keinen Gästelistenplatz und Backstagezugang mehr zu ermöglichen. Dies wurde dem Betreffenden vom BKA auch mitgeteilt.

(Inwiefern es schon vor den hier aufgezählten „Events“ eine Auseinandersetzung gab, können wir nicht genau nachvollziehen.)
Spätestens zu diesem Zeitpunkt war ihm und seinem Umfeld klar, dass schon seine Anwesen-heit ein Problem für Andere darstellt. Trotzdem fotografierte er „ohne Beauftragung“ weiter (u.a. auf dem transgenialen CSD). Auf den queer-feministischen Tagen war er nicht nur anwesend, sondern betrat dort auch nicht-öffentliche Räume (Backstage).
Was den betreffenden BKAler angeht, sehen wir sein Verhalten als Provokation.
Auch die Trans-Tagungsorga hat sicherlich nicht erst seit unserem Schreiben von dieser Problematik erfahren. Sich in keiner Weise dazu zu verhalten, muß irgendwann zu einer Eskalation führen.
Den Vorwurf, wir hätten uns der Diskussion entzogen, weisen wir als falsch zurück.
Genau darzulegen, wann wir eine Diskussion angeboten haben und warum wir wann wo nicht diskutiert haben, halten wir im Rahmen dieses Schreibens für unangebracht.

Zur konkreten Auseinandersetzung:
In linken Räumen gehen viele davon aus, dass der Rausschmiss von Polizei jeglicher Art Standard ist und rechnen damit, dass ein Orgateam sich um den Ausschluss einer solchen Person kümmern würde. Dieses Vertrauen ist leider falsch.
Daher haben wir das Foto veröffentlich. Es wurde nicht öffentlich ausgehangen, sondern nur über geschlossene Listen verschickt.
Wir wollen die Person damit nicht schädigen, sondern nur anderen Menschen das nötige Wissen vermitteln, um eigene Entscheidungen treffen zu können.
Im übrigen fand der Ausschluss des BKAler ohne Gewaltandrohung statt (wie auf www. transtagung.tk behauptet): er verliess das Cafe ohne Widerspruch.
Wer die Ausschlussforderung gegen Polizei als beliebig und quasirassistisch darstellt, dem sei gesagt: der Beruf ist frei gewählt und nicht angeboren; Polizist_innen sind keine unterdrückte, zu schützende Minderheit und es geht auch nicht um die Identität des Polizisten, sondern um die damit zwangsläufig verbundenen Handlungen. Und dabei ist es völlig irrelevant, ob die konkrete Person nett ist oder sich für die Trans*Szene engagiert. Das kann schon sein, ändert aber gar nichts an seinem Beruf und der damit verbundenen Problematik.
Wir haben eine inhaltliche Kritik an Polizei/BKA und damit auch an jeder Person, die sich dafür entscheidet, dort zu arbeiten. Und wir halten die Anwesenheit von solchen Leuten für eine potentielle Gefährdung Anderer, wie z.B. Migrant_innen oder in emanzipatorischen Bewegungen Engagierte.
Dass dies keine Paranoia ist, wollen wir anhand aktueller Beispiele, woran das BKA so arbeitet, darstellen:
A. wurde am 31.07.07 festgenommen. Er wird keiner konkreten Straftat verdächtigt, sondern nur der Mitgliedschaft in einer Gruppe, die Straftaten verübt. Auf diesen Verdacht ist das BKA gekommen, weil er im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit Fachbegriffe verwen-det, die auch in Schreiben dieser Gruppe auftauchten. Ihm wurde vorgeworfen, er sei intellek-tuell in der Lage, diese Schreiben zu verfassen und habe als wissenschaftlicher Mitarbeiter Zugang zu einer Bibliothek. Darüber hinaus machte ihn verdächtig, dass er Kontakte zu linksradikalen Kreisen hat. Letztlich in den Knast gebracht hat ihn die Tatsache, dass er sich zweimal konspirativ mit einem Menschen getroffen haben soll, gegen den der Verdacht der Brandstiftung an Bundeswehrfahrzeugen besteht. Konspirativ heißt für das BKA: die beiden trafen sich in einem Cafe und hatten keine Handys dabei, d.h. sie entgingen der Wohnraumüberwachung und dem Mithören des Gesprächs über die Handys.
A ist wieder draußen, doch dass er Wochen im Knast verbracht hat, ist nicht wieder gut zu machen. Dies ist kein Einzelfall.
Noch kurioser wirkten die Hausdurchsuchungen im Mai. Auch diese wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Hier wurde mehreren Menschen lediglich die Autorenschaft an einem Buch, welches schon 2003 erschien, vorgeworfen, anderen das Googeln nach den „falschen“ Begriffen.
Dass nur 2% aller nach §129 a StGB eingeleiteten Ermittlungsverfahren mit einer Verurteilung enden, aber in den Verfahren umfangreiche Überwachungsmaßnahmen stattfinden, zeigt, dass dieser Paragraf hauptsächlich zur Ausforschung dient. Da es hauptsächlich um Beziehungen zwischen Menschen geht, wird das gesamte soziale und berufliche Umfeld mit in die Ermittlungen einbezogen, d.h. von den polizeilichen Aktivitäten sind neben den Beschuldigten hunderte andere Personen betroffen.
Dass das BKA ziemlich viel Interesse an dem Privatleben und den sozialen Beziehungen von politisch engagierten Menschen und deren Kontaktpersonen hat, ist also offensichtlich.
Dass diesen Leuten Raum genommen wird, wenn sich Beamte des BKA in so genannten Freiräumen bewegen, sollte ebenso offensichtlich sein.

Zur grundsätzlichen Fragen:
Wer sich allzu schnell den herrschenden Definitionen, was kriminell sei, anschließt,
(auch Sex unter „Gleichgeschlechtlichen“ war lange eine Straftat) sollte bedenken, dass es Situationen gibt, in denen es Sinn macht, „kriminell“ zu handeln. Die meisten gesellschaftlichen Verbesserungen wurden erkämpft und passierten nicht einfach so.
Remember Stonewall: das war Widerstand gegen Polizeirazzien und damit „kriminell“.
Zu früheren Zeiten wäre die Ablehnung von Polizei in einer Trans*Szene selbstverständlich gewesen aufgrund der eigenen Erfahrungen mit diesem Verein. Dass das die meisten nicht mehr betrifft ist schön, sollte aber nicht dazu führen, alles zu vergessen, wo es nun „nur“ noch andere betrifft.
Für viele Menschen ist queere Politik ein Teil linker Praxis. Eine Bauchnabelpolitik, wo jede Kleinstgruppe nur für sich kämpft, wird abgelehnt und Menschen engagieren sich unabhängig von ihrer persönlichen Betroffenheit für ein freies Leben Aller. Die Ablehnung des binären Geschlechtersystems ist ein Teil davon. Es müssen aber auch andere Herrschaftsmechanismen wie Kapitalismus und Rassismus mitgedacht werden, da diese sich nicht voneinander trennen lassen.
Deswegen sind Menschen auch nicht aufgrund ihrer eigenen Diskriminierung per se Opfer. Das heißt für uns konkret, in einem Transmann bei der Polizei vor allem einen Polizisten zu sehen, da er Träger des staatlichen Gewaltmonopols ist.1
Wir finden es begrüßenswert, wenn sich Menschen auch über weitere problematische Berufe Gedanken machen. Wir sehen aber einen qualitativen Unterschied der Repression durch die Polizei und der durch Lehrer_Innen. Zudem ist der Lehrberuf auch nicht-repressiv denkbar und z.T. auch jetzt schon ausführbar. Anders eine Tätigkeit bei Polizei, BKA, BGS usw.
Wir würden auch eine Veranstaltung zur Diskussion um die repressive Funktion von Lehrer_Innen unterstützen.

Eure pinkpunxx









1 Und für die, die die Polizei für ihren Freund und Helfer halten:

„Berichte über die Polizei in instabilen und teils totalitären Systemen, sei es das „Dritte Reich“ oder die Diktatur in Chile, führen uns die Kernfunktion der Polizei, Gewaltinstrument der Machthaber des politischen Systems zur Stützung der jeweiligen gesellschaftlichen Ordnung zu sein, in ihrer brutalsten und entkleidetsten Form vor. Moderne, demokratisch organisierte Gesellschaften unterscheiden sich zwar im Ausmaß der staatlichen Anwendung physischer Gewalt und können sich in Phasen gesellschaftlicher Stabilität auf einen breiten Konsens hinsichtlich der Legitimität des staatlichen Gewalteinsatzes berufen, aber schon die periodisch wiederkehrenden Krisen, die auf Brüche in diesem Konsens verweisen (Rassenunruhen, Gewerkschaftskonflikte, soziale Bewegungen, Riots), lassen den Herrschaftscharakter der Polizei deutlich hervortreten.“ (aus „Kleines kriminologisches Wörterbuch“)

Sonntag, 4. November 2007

polizei in queer/trans-räumen, teil 1

information zu risiken und nebenwirkungen


am samstag, den 20.10.07 wurde die party der transgender-tagung im cafe morgenrot abgebrochen.
Es gibt einen öffentlich bekannten polizisten des bundeskriminalamtes, der auf der party war. Das morgenrot bestand letztendlich darauf, daß er die party verlässt, woraufhin das tagungsteam sich enschied, die komplette party abzubrechen.
Das tagungsteam wurde im vorfeld von uns über das problem informiert und hat sich entschieden, den bka-beamten nicht von der tagung auszuschliessen, weil sie ihn kennen und ihm vertrauen.
sie haben ihm sogar den auftrag gegeben, fotos auf der party zu machen.
wir wollen uns nicht gemeinsam mit Polizei in den gleichen Räumen bewegen.
abgesehen von einer prinzipiellen kritik an bka u.ä. institutionen als staatstragend (z.b. rassisitisch durch ethnisierte darstellung „organisierter kriminalität“ ), stellt die anwesenheit eines bka-beamten eine gefährdung der anwesenden dar.
das bka sammelt in speziellen dateien (z.b. sog. „links motivierte straftaten“ oder „ausländerkriminalität“) auch ohne tatverdacht daten über potentielle gewalttäter.
in diese dateien werden auch bloße kontaktpersonen von verdächtigen (und sogar kinder) aufgenommen oder solche personen, deren persönlichkeit grund zur annahme gibt, dass künftig strafverfahren gegen sie zu führen sein werden.
es kann ausreichen, mit bestimmten personen auf einer demonstration gesehen zu werden, um dann ein verfahren mit erweiterten ermittlungskompetenzen zu eröffnen (etwa telefonüberwachung, etc.).
polizist_innen sind verpflichtet, jegliche relevante informationen weiterzuleiten. und es kann ziemlich viel von interesse sein...
Wir sehen das verhalten des tagungsteams als politisches statement.
Sollten sie ihr Verhalten nicht als solches begreifen, werden damit trotzdem indirekt verschiedene personengruppen ausgegrenzt, d.h. unsichtbar ausgeschlossen.
von kriminalsierung bedrohte menschen werden sich in räumen, in denen polizei sogar explizit eingeladen ist, ungeschützt fühlen und nicht mehr erscheinen.
allgemein schafft eine solche haltung keine eine atmosphäre des vertrauens, denn gerade auch transgender haben immer wieder unter polizeilichen maßnahmen zu leiden.
wir stellen uns einer solchen politik entgegen, die nur die sexuelle/geschlechtliche identität im blick hat und andere herrschaftsstrukturen ausblendet. es ist auch fraglich, wie das funktionieren soll, da das eine mit dem anderen zusammenhängt.
weil uns wichtig ist, daß alle leute darüber aufgeklärt sind, mit wem sie es evtl. zu tun haben, (frei entscheiden können, mit wem sie wo sein wollen) möchten wir im anhang über die besagte person informieren.
wir möchten betonen, daß wir die auseinandersetzung aber nicht auf diese eine person beziehen wollen, sondern an einer generellen diskussion über die politische dimension von queeren/trans- räumen interessiert sind.